22.12.2021 19:21
Hilfe zur Selbsthilfe
Der Thundorfer Marc «Schifel» Scheifele sammelt Spenden für sein Hilfswerk auf Sri Lanka
Marc Scheifeles 2013 gegründete Hilfswerk «Waikkala» ist erfolgreich und wächst. Als nächstes steht der Bau eines Schulgebäudes für bestehende Lernwerkstätten an. Doch aktuell sind die Lebensumstände auf Sri Lanka besonders hart. Corona und eine Umweltkatastrophe haben vor Ort für eine noch nie dagewesen Lebensmittelknappheit gesorgt.
Thundorf Es waren bittere Bilder, die Marc Scheifele einst dazu brachten, als Entwicklungshelfer nach Sri Lanka zu gehen. 2004 war ein Tsunami über die Insel gedonnert und hatte Verwüstung und Elend hinterlassen. Was der Tourist aus Thundorf sah, liess ihn nicht mehr los. Menschen, die ihr Dach über dem Kopf verloren hatten und dennoch irgendwie weitermachten. Ohne den Optimismus zu verlieren. Zuhause sammelte «Schifel», wie ihn hier alle nennen, Geld. Dann stieg er umgehend in den Flieger, organisierte vor Ort einen Laster, und brachte Lebensmittelpakete zu denen, die nichts mehr hatten.
Was als spontane Aktion begann, hat sich über die Jahre zu einer Hilfsorganisation gefestigt. Zunächst kümmerte sich der Verein um ein Kinderheim für behinderte Mädchen und Jungen. 2015 wurde die Lernwerkstatt für Schreiner ins Leben gerufen, die Gemeinde Waikkala stellte dafür ein Haus zur Verfügung. In einer zehnmonatigen Ausbildung lernen Lehrlinge, selbst Möbel herzustellen. Am Ende erhalten sie ein staatlich anerkanntes Zertifikat und einen Sack voll Werkzeug. Dann kamen die Lernwerkstätten für Näherinnen und Konditor*innen und die Sprachschule hinzu. Die Nachfrage ist gross: In diesem Jahr durften sieben Schreiner, 62 Konditor*innen, 38 Näherinnen und 30 Sprachschüler*innen der Englisch- und Deutschkurse ihr Diplom entgegen nehmen.
Der nach dem Ort auf Sri Lanka benannte Verein zählt heute rund 250 Mitglieder. Viele davon packen selbst mit an, unentgeltlich, versteht sich. Marc Scheifele, selbst Schreiner, ist jedes Jahr rund drei Monate auf der Insel.
Aktuell ist er wieder unten – und wird schmerzlich an früher erinnert. Die Strände in Waikkala sind nach einem Chemietankerunglück vermüllt und übersät mit toten Fischen und Schildkröten. Ein Küstenabschnitt von 80 Kilometern wurde gesperrt und fällt als Nahrungsmittelquelle weg. Zudem steht die Tourismusindustrie wegen Corona still. Die Shoppingmeilen mit den Souvenirläden sind menschenleer. In den Hotels kaum Gäste. So glücklich er über den Fortschritt seines Hilfswerks ist, so bestürzt zeigt sich der Vereinsgründer angesichts der aktuellen Krise. Marc Scheifel schreibt: «Es herrscht ein noch nie dagewesener Essensengpass.»
Doch es gibt auch Gutes zu berichten. Im Sommer dieses Jahres konnte ein Landkauf besiegelt werden. Auf einem 2,5 Hektaren grossen Gelände, wo derzeit noch Kokospalmen stehen, plant der Verein ein neues, zweistöckiges Schulgebäude. Denn das alte platzt aus allen Nähten: Tagsüber werden die Schreiner ausgebildet, danach werden die Maschinen zur Seite geschoben für die anderen Kurse. Ein einziges Hin- und Hergeräume. Um das Projekt zu finanzieren, hat sich der Verein das Ziel gesetzt, bis Mitte nächsten Jahres 100 000 Franken zu sammeln. Eine Stiftung wird als Trägerin fungieren.
«Schifels» Vision ist es, im neuen Ausbildungsgebäude noch mehr lernwillige Singhales*innen ausbilden zu können, wenn möglich auch Sanitärinstallateure oder Elektriker. Bisher hätten alle Schreiner im Anschluss an ihre Ausbildung einen Job gefunden. Manche arbeiten in lokalen Betrieben, andere haben sich selbstständig gemacht, wieder andere gingen als Gastarbeiter ins Ausland. Das bestärkt die Vereinsmitglieder in ihrem Engagement. Sie bieten Hilfe zur Selbsthilfe an – ein Lichtblick in ansonsten eher trüben Zeiten.
Von Stefan Böker