Heidi Utz.
14.11.2024 00:00
Die Brocki als zweites Zuhause
Heidi Utz engagiert sich seit vier Jahrzehnten für die Brockenstube Steckborn
Seit 50 Jahren gibt es die Brocki in Steckborn. Zu keiner Zeit gab es Zweifel über den Fortbestand der Einrichtung. Das Brocki-Team gehet mit dem Wandel der Zeit, weiss, was gerade in ist und versteht es, Wertvolles von Ladenhütern zu unterscheiden. Ein Treffen mit Heidi Utz, welche sich seit 40 Jahren für die Brocki engagiert.
Steckborn Heidi Utz ist warm eingepackt in Winterkleider. Die Brocki ist weder geheizt noch gut isoliert. Im Winter ist es eisig kalt, im Sommer brütend heiss. Aber kein Problem für die Mitarbeiterinnen und die Kundinnen und Kunden. Wenigstens ein Öfeli an der Kasse wäre doch was, sagen die Besucher beim Zahlen. Heidi Utz winkt ab. «Dann hat man ein paar Minuten ein warmes Füdli und Beine, bevor es wieder an die Kälte geht», sagt sie und lächelt. Wo im Sommer gerne gestöbert wird, fallen die Besuche in der kalten Jahreszeit deutlich kürzer aus. Doch gekauft wird das ganze Jahr über.
Weihnachtseinkäufe
Aktuell werden kleine Schätze aus dem Lager geholt. Schöne Bücher, spezielle Kleider oder ein besonderes Spielzeug, welche gehütet wurden für die Adventszeit. Denn viele Leute suchen gerne in der Brocki nach einem Weihnachtsgeschenk - eines nicht ab der Stange. Obwohl der Trend zur Wegwerfgesellschaft geht, sind Secondhandwaren immer noch sehr gefragt. «Viele unserer Kunden kommen mit kleinem Budget zu uns. Andere wiederum suchen einfach nach kleinen Schätzen, welche ihnen eine Freude bereiten», so die 72-Jährige. Heidi Utz wuchs auf einem Bauernhof auf, half im Lebensmittelladen der Eltern mit und machte die Lehre bei der Post. In jungen Jahren trat sie dem gemeinnützigen Frauenverein Steckborn bei.
«Ich wurde angefragt, ob ich im Brocki-Team mitmachen möchte. Ich sagte aber ab in dem Glauben, dass dies nichts für mich ist. Nur einmal im Monat, sagten sie mir damals.» Na gut, dachte sich die Verkäuferin. Schon nach kurzer Zeit: «hets mer de Ärmel innegno.» Warum genau, weiss sie nicht. Kein besonderes Erlebnis, stimmte sie um. Viel mehr das Zusammensein mit den Frauen, das gemeinsame Schaffen für etwas Gutes. Die Stimmung sei in den 40 Jahren immer gut gewesen, gezankt hätten sie sich noch nie. Ein Kaffeekränzchen sei das Engagement in der Brocki aber keineswegs. Vor allem bei der Warenannahme, dem Aussortieren, Beschriften und im Laden ausstellen benötigt es Konzentration. «Am Donnerstagmorgen arbeiten wir gut zwei Stunden, meist ohne ein Wort zu wechseln. Jede ist in ihre Arbeit vertieft. Aber Zeit für eine kurze Teepause, die lassen wir uns nicht entgehen.»
Spezialisten mit an Bord
Die meisten Sachen können sie verwenden, andere werden entsorgt, denn jeden Karton im Beisein der Spender durchzuschauen, mache keinen Sinn. Die Brocki als «Abfalleimer» zu nutzen, sei aber kein Thema. Ganz im Gegenteil: manchmal stossen die Frauen auf alte Uhren, Bilder oder Teppiche, die ihrer Einschätzung nach einen grösseren Wert haben. «Dann holen wir einen Experten dazu. Die Uhren dürfen wir zum Beispiel kostenlos zur und Revision einem Spezialisten bringen.» Auch alte Bilder seien oftmals als Laie schwer zu beurteilen. «Kürzlich wurde eine hochwertige Töffbekleidung abgegeben. Bei solchen Waren besprechen wir im Team den Preis. Bei allen anderen Sachen wie einer Jeans oder einem Spielzeug wird dieser individuell von der Person bestimmt. Doch schliesslich soll der Preis nicht überteuert sein. Denn jeder Franken, der eingenommen wird, fliesst zum einen in die Mietkosten, aber zum grössten Teil in soziale Projekte in Steckborn und Umgebung.
Wer kauft sowas?
Die engagierten Frauen müssen manchmal auch schmunzeln. «Wir fragen uns, wie man überhaupt so etwas kaufen konnte. Für jedes Gemüse gibt es scheinbar ein eigenes Messer», sagt Heidi Utz und lacht. Doch auch diese Produkte lassen sich meist verkaufen. Natürlich gebe es Ladenhüter. Deshalb werden die Etiketten aller Waren mit dem Preis und dem Datum versehen. Zweimal im Jahr findet ein Ausverkauf mit 50 Prozent auf alle Sachen statt. «Wenn ein Artikel mehrere solcher Ausverkäufe überlebte und immer noch nicht verkauft wurde, wird es aus dem Sortiment genommen.» Denn es ist ihnen wichtig, dass die Brocki nicht überfüllt ist, sondern zum «Lädelen» einlädt. Besonders stolz ist Heidi Utz auf das grosse Schaufenster, welches regelmässig der Saison entsprechend neu bestückt wird. «Immer wieder halten Velo- oder Autofahrer an, um die neuste Ware zu begutachten.» Die Lage an der Hauptstrasse sei auch perfekt gelegen. Wir sind dankbar bekommen wir immer wieder genug Verkaufsmaterial. Freiwillige Mitarbeiterinnen zu finden, sei einfach - somit ist das Überleben der 50 jährigen Brocki vorerst gesichert.
Von Desirée Müller