Schicke Cocktailbar oder freiwillig geführtes Café mit kurzen Öffnungszeiten: Für alle gelten dieselben Regeln. Heike Zabel / pixelio.de
06.12.2023 23:45
Jetzt müssen alle zur Wirteprüfung
Am 1. Januar 2024 treten das totalrevidierte Gastgewerbegesetz und die Gastgewerbeverordnung in Kraft
Gut vier Jahre hat es gedauert, von der Motion bis zum Inkrafttreten des neuen Gastgewerbegesetzes und der dazugehörigen Verordnung. Bisher war der Tenor: Das neue Gesetz macht alles einfacher. Das stimmt auch. Für Profis. Für Ehrenamtliche hingegen wird der Weg hinter den Tresen steiniger.
Thurgau Ehrenamtliche Arbeit ist der Kitt unserer Gesellschaft. Man denke zum Beispiel an das Café des Seemuseums im Kreuzlinger Seeburgpark. Es ist ein richtiges Kleinod mit selbst gemachtem Angebot, das damit zusätzlich Gäste ins lokalgeschichtliche Museum lockt. Rund 40 Ehrenamtliche schneiden hier Kuchen, brühen Café auf und servieren Leckereien. Jede Person macht ein bis zwei Einsätze pro Monat. Oft sind es Pensionierte. Sie zu entlohnen, wäre gar nicht möglich. Projekte dieser Art gibt es zuhauf in jeder Gemeinde (siehe Kasten). Ihre Anzahl ist manchenorts sogar höher als die der professionellen Wirtschaften.
Kultur könnte leiden
Eine Bewilligung für ein Café wie das des Seemuseums zu bekommen, war bislang Formsache. Eines der Zauberwörter lautete «Gelegenheitswirtschaft». Wer maximal 28 Stunden an 4 Tagen in der Woche geöffnet hat, der konnte eine solche Bewilligung für kleines Geld erhalten. Oder «Kioskwirtschaft». Diese galt für Mini-Lokale, mit maximal 20 Steh- und Sitzplätzen innen und aussen, und war noch günstiger. Von diesen Bewilligungen profitierte das Kulturleben allerorten. Nicht nur, weil die Bar für viele eine wichtige Einnahmequelle darstellt. Zum Beispiel im Cinema Luna in Frauenfeld. Oder im Phönix Theater in Steckborn. Oder im Theaterhaus Thurgau in Weinfelden. Oder im Kult-X in Kreuzlingen. Aber nur, weil die meisten, die dort arbeiten, es freiwillig tun.
Mit dem neuen Gastgewerbe- und Alkoholhandelsgesetz (GastG), welches am 1. Januar 2024 samt dazugehöriger Verordnung in Kraft tritt, ändert sich das «Lotterleben» der Kulturmenschen. Neu wird es für sie schwieriger und teurer, eine Bewilligung zu bekommen, um hinter dem Tresen zu stehen. Die verschiedenen Unterteilungen wurden nämlich gestrichen.
Wirte-Verband freut sich
«Es gibt nur noch den Unterschied zwischen einer gastgewerblichen Tätigkeit und dem Handel mit alkoholischen Getränken», erklärt Christoph Marth vom Departement für Justiz und Sicherheit. Er spricht von einer «Vereinfachung». Beide Bewilligungen sind um mindestens 300 Franken teuerer, als es die für Gelegenheits- oder Kioskwirtschaften bis anhin waren. Und es geht noch weiter: Wer diese Bewilligungen beantragt, muss einen Fähigkeitsausweis vorlegen. Den gibt es nur nach erfolgreichem Bestehen der Wirteprüfung. Diese führt Gastro Thurgau durch. Klar, dass der Verband das neue Gesetz sehr begrüsst, war er doch massgeblich daran beteiligt, die Gesetzesrevision vor über vier Jahren mit einem Vorstoss im Grossen Rat zu starten. Ruedi Bartel, Präsident von Gastro Thurgau und selbst Wirt in der Krone Balterswil, war einer der Motionäre. Aus Bartels Sicht wurde jetzt endlich Gleichbehandlung hergestellt. «Jeder, der Speisen oder Getränke verkauft, muss eine Wirteprüfung machen», freut er sich. Der Gastro-Präsident betont zudem, dass diese Prüfung einfacher wird. «Sie besteht neu aus 70 Single-Choice-Fragen in schriftlicher Form. Davon müssen 80 Prozent richtig beantwortet werden.» Vorbereiten könne man sich mittels E-Learning, Fernkursen oder Präsenzkursen. Die Kosten schätzt Bartel auf mehr als 2000 Franken für die Vorbereitung, plus nochmals maximal 400 Franken für die Prüfung. «Das ist etwa halb soviel, wie man früher zahlen musste», versichert er. «Eine Verbesserung.»
Stille Kommerzialisierung
In Wirklichkeit handelt es sich um eine stille Kommerzialisierung – die, so könnten böse Zungen behaupten, neben Verbesserungen für Profis gleichzeitig Benachteiligung der ehrenamtlichen «Konkurrenz» zum Ziel hatte. Denn egal ob Freiwilligen-Café oder Gourmet-Restaurant, für alle gelten dieselben Regeln. Es ist zudem zu befürchten, dass das neue Gesetz auf kurz oder lang zu einer Verkleinerung des Angebots führt. Ist der Kanton Thurgau nicht «der Kanton der Besenbeizen»? Damit wirbt jedenfalls Thurgau Tourismus. Nun: Wer eine Besenbeiz zu eröffnen will, wird sich das in Zukunft zwei Mal überlegen, bevor er für die Vorbereitung auf die Wirteprüfung mehrere Tausend Franken und dann für die Prüfung selbst nochmal bis zu 400 Franken berappt.
Eine Verbesserung gibt es
Eine klare Verbesserung beinhaltet das Gesetz indes tatsächlich: Neu können nicht nur natürliche Personen, wie der Wirt, sondern auch juristische Personen, wie sein Unternehmen (oder der Verein, die Stiftung, etc.), Bewilligungsinhaber sein. Das macht es Profis leichter, mehrere Standorte zu betreiben. Zudem muss die Bewilligung bei einem Personalwechsel nicht ständig erneuert werden, was auch den Ehrenamtlichen etwas bringt. Was aber, wenn die verantwortliche Person, die das Wirtepatent machte, aus dem Verein scheidet? Diese Situation wurde bei der Gesetzesrevision, so scheint es, ignoriert. Wenig verwunderlich, hat der Kanton doch zur Vernehmlassung Kulturverbände oder -organisationen nicht eingeladen.
Was bleibt, ist Unverständnis über eine Gesetzesänderung, die zum Vorteil der einen unbedingt mit einer Benachteiligung der anderen einhergehen muss. Glücklicherweise gibt es das Übergangsrecht: Wer bei Inkrafttreten des Gesetzes über eine Bewilligung nach altem Recht verfügt, muss keine nach neuem Recht beantragen. Also weitermachen wie bisher. Bis es eine Rotation gibt, und das ist in vielen ehrenamtlich betriebene Organisationen leider häufig der Fall.
Von Stefan Böker
Zahlreiche Betriebe sind betroffen
Eine Umfrage unter Gemeinden ergab folgendes Bild: In Kreuzlingen gibt es 6 Hotels und 53 Wirtschaften. Demgegenüber stehen 45 Kioskwirtschaften oder Imbissstände und 20 Gelegenheitswirtschaften. In Weinfelden ist das Verhältnis andersrum: 46 Kiosk- oder Gelegenheitswirtschaften stehen 49 Profi-Betrieben gegenüber. Den grössten Anteil an Betrieben, die kein Wirtepatent benötigen, hat Frauenfeld mit 116. Patentpflichtige Betriebe gibt es in der Kantonshauptstadt 81.