Am Montag wurde von Sonja Wiesmann anlässlich der Trauerfeier in der evangelischen Kirche Müllheim Abschied genommen. nw
18.03.2025 15:46
«Unterstützerin, Heldin, Vorbild»
Familie, Politikerinnen und Politiker, Freundinnen und Freunde nahmen am Montag in Müllheim Abschied von Regierungsrätin Sonja Wiesmann
Mit 58 Jahren und 11 Monaten ist Sonja Wiesmann am 23. Januar plötzlich und viel zu früh verstorben. Tränenreich wurde am Montag an der Trauerfeier von ihr Abschied genommen.
Müllheim An dem Ort, an dem Sonja Wiesmann im Alter von vier Monaten getauft wurde und an dem sie ihre Konfirmation feierte, wurde am Montag, nach ihrem plötzlichen Tod, Abschied genommen. Die evangelische Kirche in Müllheim war bis auf den letzten Platz gefüllt, Vertreter aus der Politik, darunter Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider und Bundeskanzler Viktor Rossi, der Thurgauer Regierungsrat, Vertreter anderer kantonaler Regierungen, Angehörige sowie Freundinnen und Freunde fanden zusammen, um Sonja Wiesmann die letzte Ehre zu erweisen.
Kindheit prägte politische Laufbahn
Cornelia Komposch, Vorgängerin im Regierungsrat und gute Freundin von Sonja Wiesmann, verlas den Lebenslauf. Sie war, auch heute, rund zwei Monate nach dem Tod, sichtbar betroffen. Sonja Wiesmann habe keine einfache Kindheit gehabt, den Vater habe sie im Alter von neun Jahren verloren, auch ihre Mutter musste arbeiten, um die Familie ernähren zu können. Dennoch stand für ihre Eltern das Wohl der Tochter immer im Vordergrund. «Sonja hatte eine grosse Hochachtung vor der Leistung ihrer Mutter. Ihr familiäres Schicksal prägte und politisierte sie», trug Cornelia Komposch vor.
Als sie 2005 wegen ihrer Schwangerschaft aus dem Job gekündigt wurde, sei sie rechtlich dagegen vorgegangen und hatte damit national für Schlagzeilen gesorgt. «Sie gewann und setzte sich damit für alle Frauen gleichermassen ein.» Ihre Wahl zur Gemeindepräsidentin von Wigoltingen im Jahr 2009 bezeichnete Komposch als politische Sensation. «Fünf Jahre später wurde Sonja Wiesmann Grossratspräsidentin, im April 2024 folgte die Krönung ihrer politischen Laufbahn, als sie zur Regierungsrätin gewählt wurde und das Departement für Justiz und Sicherheit übernahm.» Doch trotz ihres Amtes, zahlreicher Sitzungen und Mitgliedschaften in diversen Kommissionen hätten ihre Mutter und ihre beiden Töchter Diana und Corinne immer an oberster Stelle gestanden.
«Ihre Welt auf den Kopf gestellt»
Es vergehe kein Tag, an dem Tochter Diana ihre Mutter nicht vermissen würde. «Am 27. Januar 2006 habe ich dich kennenlernen dürfen und damit deine Welt auf den Kopf gestellt, und das sogar doppelt», erzählte Diana Schätzle. Sonja Wiesmann habe fest für andere gekämpft, mehr jedoch für ihre beiden Zwillingstöchter. Sie habe ihnen die Kindheit ermöglicht, die Sonja Wiesmann selbst nicht hatte. Die Trennung von ihrem Mann habe Wiesmann und ihre Familie nur stärker gemacht und sie noch enger zusammenrücken lassen. «Du warst meine beste Freundin. Am liebsten habe ich Zeit mit dir verbracht, selbst wenn du meintest, ich solle am Wochenende in den Ausgang gehen, blieb ich lieber zu Hause bei dir.» Nie vergesse Diana die gemeinsamen Autofahrten. Dabei hätten sie so lange Taylor Swift gehört, bis auch Sonja Wiesmann alle Texte kannte und mitsingen konnte. So schön die gemeinsamen Erinnerungen waren, so traurig ist die Letzte, fand der letzte persönliche Kontakt zwischen Diana und ihrer Mutter am 6. Januar statt. Tochter Diana musste für vier Wochen nach England. «Die Welt ist ohne dich nicht schön. Ich bin dankbar dich als Mutter gehabt zu haben. Du hast als starke Frau für vieles gekämpft, nun bist du mit deinem Vater wieder vereint.»
Im Spital bis vier Uhr morgens
Auch Tochter Corinne blickte auf das gemeinsame Leben zurück und teilte besondere Erinnerungen. Gerade in den letzten Wochen sei ihr immer wieder aufgefallen, wie gut Sonja Wiesmann für ihre beiden Töchter vorgesorgt hat. Wie sehr sie für ihre Töchter gesorgt hat, wird mit dieser Geschichte klar. «Mit 6 Jahren habe ich mir das Bein gebrochen. Ich musste ins Spital, konnte aber lange nicht einschlafen. Meine Mutter musste mir aus meinem Lieblingsbuch vorlesen, erst beim zweiten Durchgang bin ich um vier Uhr morgens eingeschlafen. Wer jedoch denkt, meine Mutter hätte am nächsten Morgen ausgeschlafen, der täuscht sich.» Egal wie anstrengend ihre Tage waren, Sonja Wiesmann hatte immer Zeit für ihre Töchter. «Ich konnte dich immer um Rat fragen, wenn ich nicht weiter wusste. Du warst meine grösste Unterstützerin, meine Heldin, mein Vorbild.»
Politik wird sie vermissen
«Schock, Fassungslosigkeit, unfassbare Leere.» Mit diesen Worten bezeichnete Regierungspräsident Walter Schönholzer die Gefühlslage bei ihm und den anderen Regierungsmitgliedern nach der Nachricht des Todes von Sonja Wiesmann. Sie habe dem Kanton Thurgau gedient und uns allen damit eine grosse Ehre erwiesen. Mit ihrer Halskette und dem Thurgauer Wappen, einer Spezialanfertigung, zeigte sie ihre Wertschätzung dem Kanton gegenüber. «Nun gehört sie dir Diana», richtete Schönholzer das Wort an Tochter Diana.
Am 23. Januar 2025 sei eine starke, prägende Stimme für immer verstummt, erklärte SP-Thurgau-Präsidentin Marina Bruggmann. Sonja Wiesmann habe nach Gerechtigkeit gestrebt und verfügte über die einzigartige Fähigkeit, Menschen miteinander zu verbinden. «Aufgeben war für sie nie eine Option. Ihr Wirken wird auch nach ihrem Tod weiterleben.»
Eine besondere Anekdote konnte Pfarrer Florian Homberger, der durch die Trauerfeier führte, beitragen. Vor einigen Jahren habe die Moschee zwischen Wigoltingen und Müllheim zur Pflanzung eines Friedensbaums eingeladen. Doch nur zwei Personen seien der Einladung gefolgt: «Sonja Wiesmann und ich.» Sie sei sich nicht zu schade gewesen für den Frieden einzustehen, auch wenn es niemand sah.
Musikalisch umrahmt wurde die Trauerfeier von zwei Kirchenliedern, bei denen die gesamte Trauergemeinde mitsang, und weiteren Musikstücken, darunter der Sonja-Wiesmann-Marsch, vorgetragen von den Music Friends Wigoltingen.
Von Nico Wrzeszcz